Alles AlNiCo

Alnico Speaker

Alnico-Lautsprecher gelten als die Könige der Gitarren­lautsprecher. Aber ist der hohe Preis auch gerechtfertigt?

Um diese Frage befriedigend klären zu können, haben wir verschiedene Alnico-Lautsprecher gegeneinander antreten lassen. Hierbei zeigte sich sehr schnell: wo Licht ist, ist auch Schatten und der Preis – aber auch der Name – ist nicht unbedingt ein Garant für Klangqualität.

Es treten an: Jensen Blackbird Alnico 12", Tayden Silverbell 12", das Gespann aus Celestion Blue mit 15 Watt und Celestion Gold mit 50 Watt beide jeweils 12", der WGS Black&Blue welcher als Celestion Blue Nachbau positioniert ist, der WGS Black Hawk welcher als EV SRO Nachbau gilt sowie der Jensen P12R der mit 25 Watt und einem Preis unter 100 Euro mit Abstand der billigste Lautsprecher im Test ist.

Als Gitarren und Verstärker standen verschiedene Strats bestückt mit Single Coils, eine Tele mit AlNico5 Pickups (CustomShop) sowie zwei Gitarren mit dicken Humbucker zur Verfügung und für die Leistung sorgten der TT66, ein PCL Stagemaster  75 und ein Marshall Clone. Als Box wurde eine 6X12 mit geschlossener Rückwand und sehr großem Volumen verwendet, welche speziell für den Test angefertigt wurde.

Grundsätzlich ist es empfehlenswert die Alnicos entweder in geschlossenen Boxen mit sehr großem Volumen oder in kleineren Boxen, aber dann mit offener Rückwand zu betreiben damit die Lautsprecher „frei atmen“ können. Dadurch können sie ihre klanglichen Qualitäten voll ausspielen.

Apropos Qualität! Die Verarbeitungsqualität war bei allen Kandidaten vorbildlich. Einzig der Jensen P12R fällt mit seinem recht dünnen Blechkorb etwas auf, was aber nicht wundert. Alle anderen Lautsprecher kommen mit stabilen, großen Körben, dicken Glocken über den Magneten und einer erstklassigen Lackierung und Verarbeitung daher.

Was ebenfalls auffiel ist, dass alle Lautsprecher im Test nahezu gleiche Empfindlichkeiten, also Endlautstärken zeigten, auch wenn die technischen Daten größere Unterschiede in der Lautstärke vermuten ließen. Selbst der P12R war trotz 95 dB doch noch sehr laut. Am lautesten empfand man den Silverbell, aber da diese Aussage nicht messtechnisch unterlegt wurde, ist sie rein subjektiv.
Und los geht’s …

Stay Clean

Die Stärke der Alnicos liegt ohne Zweifel im Clean-Sound und hier lag mit großem Abstand der Jensen Blackbird vorne. Dieser hat einen sehr vollen Klang, einen kräftigen Bass und klare Höhen aber ohne dass einer dieser Bereich durch Überbetonung auffällt. Die Abstimmung ist sehr ausgewogen und die Spielfreude extrem groß, da er sehr gut auf das Gitarren-Spiel reagiert. Auf alle Fälle ein echter Profi-Lautsprecher.

Ähnlich viel Bass aber mit reduziertem Höhenanteil und einer eher amerikanischen Färbung ist der WGS Black Hawk. Dennoch überzeigt er durch ein abgeschlossenes und rundes Klangbild, aber durch die fehlenden Höhen im Gesamten etwas verwaschener und milder.

Beim Celestion Gold wird der Bassanteil im Vergleich zum Blackbird etwas dünner, dafür nehmen die Höhen deutlich zu. Dies wird nochmals beim Celestion Blue gesteigert, der einen sehr zurückgenommenen Bass aber viele Höhen hat. Ein echter Britte eben.

Der WGS Black&Blue, als direkte Kopie des Blue konzipiert, ist seinem Vorbild extrem nahe. Die Höhen erscheinen ein klein wenig weicher und nicht ganz so spitz aber dies wird man nur in einem direkten AB Vergleich feststellen können. Bei einem Blindtest zwischen Black&Blue und Blue wird man mit sehr grosser Wahrscheinlichkeit nicht unterscheiden können, welcher  der beiden der Blue und welcher der Black&Blue ist. Eine optische Begutachtung der Membran zeigt ebenfalls keinen Unterschied zwischen den beiden Lautsprechern. Wir gehen davon aus, dass es sich um (nahezu) die gleiche Membran handelt.

Der Tayden Silverbell weist Ähnlichkeiten zum Blackbird auf, betont aber den Mittenbereich etwas stärker wodurch er wärmer, eher „vintage“ aber dennoch sehr dicht im Klang wirkt. Auf alle Fälle ebenfalls ein angenehmer Zeitgenosse. Auch hier merkt man die britische Seele aber ihm fehlt das teilweise doch recht spitze Auftreten des Blue.

Der Jensen P12R hat beim „Clean“-Test den größten Höhenanteil aber auch den wenigsten Bass. Das war aber auch zu erwarten. Dies ist ein Lautsprecher für klassische, sehr knackige Strat-Sounds.

Klare Ergebnisse

Beim „Clean“-Test hat der Blackbird auf Grund seiner klanglichen Fülle und Ausgewogenheit die Nase weit vorne. Es ist einfach alles da und dieser Lautsprecher wird dem Mythos Alnico voll gerecht. Der WGS BlackHawk folgt mit einer amerikanischen Färbung aber ebenfalls einem runden und vollen Klangbild. Der Blue und auch der Gold, sind sehr „british“ und insbesondere der Blue gehört einfach zu einem waschechten britischen Amp. Der Celestion Gold als großer Bruder des Blue, beschreitet den gleichen Weg. Er hat aber außer mehr Leistung nicht wirklich mehr zu bieten als der Blue. Aufgrund des großen Höhenanteils wird der Einsatzbereich beider Lautsprecher doch deutlich eingeschränkt. Der Silverbell ordnet sich zwischen Blackbird, BlackHawk und Blue ein. Er hat eine mehr britische Färbung, eine große Fülle, klingt aber recht dicht und dennoch Eigen.

More Drive, please

Beim nächsten Test mit moderatem Overdrive zeigte sich sehr schnell das Dilemma, welches man bei einem Lautsprecher-Vergleichstest hat. Jeder Lautsprecher entwickelte bei Overdrive einen sehr eigenen aber typischen und extrem prägenden Klang, weshalb man bei diesem Test von keinem echten Gewinner sprechen kann und die Ergebnisse sehr differenziert zu betrachten sind. Der Blackbird punktet hierbei wieder mit seinem breiten klanglichen Spektrum und einem sehr offenen und direkten Sound, der sich als sehr „modern“ bezeichnen lässt. Der BlackHawk punktete mit seiner amerikanischen Färbung, die er jetzt voll ausspielt. Ein richtig guter Rock-Lautsprecher!

Der Blue überzeugte durch einen richtig schönen britischen Overdrive Sound – mit einem AC30 dahinter und einem fetten Humbucker eine Nummer für sich. Analog dazu der WGS Black&Blue. Er steht dem Original in nichts nach und der Unterschied ist noch geringer als bei Clean-Sounds. Der Silverbell zeigte ebenfalls eine deutliche britische Färbung, aber spielte durch seinen zunehmend dichter werdenden Sound ebenfalls eine eigene Geige. Einzig der P12R kam klanglich an seine Grenzen, denn verzerrte Sounds sind bei dieser starken Höhenlastigkeit nicht mir sonderlich angenehm.

Es wird schwieriger

Das Einfache zu Beginn: der P12R ist nichts für Overdive und auch nicht für HiGain, da dieser zu viele Höhen hat. Der Blackbird hingegen zeigte bei diesem Test seine sehr moderne Seite, ist extrem vielfältig, offen und klingt richtig frisch. Für Leute die ein sehr breites klangliches Spektrum abdecken müssen, ist dieser Lautsprecher der ideale Partner. Der WGS BlackHawk besticht mit seinem amerikanischen Charme. Voll und satt im Klang, dreckig und durchsetzungsstark. Wer auf Sounds á la AC/DC steht, der wird an diesem Lautsprecher mehr als seine Freude haben. Der Celestion Blue und genauso der WGS Black&Blue sind für die Freundes des Britrock mit ausgeprägtem Höhenanteil. Der Celestion Gold gesellt sich unspektakulär dazu, bietet mit seiner höheren Leistung aber etwas mehr Freiraum, auch Headroom genannt. Der Silverbell ist ebenfalls für die Freunde des Britrock eine gute Wahl, punktet aber durch weniger aggressivere Höhen und durch einen volleren Klangeindruck. Kurzum: Einen echten Gewinner gibt es bei diesem Test nicht!

Take me higher

Der abschließende Test mit Higain-Sounds startete mit ein paar bösen Überraschungen: Der Jensen Blackbird zeigte schreckliche Verzerrungen und extrem kratzige Spitzen, die extrem unangenehm auffielen und der Celestion Blue klang wie ein Blecheimer – der Gold nicht viel besser. Einzig der WGS BlackHawk und der Silverbell lieferten von Anfang an gute Ergebnisse.

Es war also erst einmal Ursachenforschung angesagt. Der Blackbird kam nahezu frisch aus der Verpackung zum Test und das war das Problem. Nachdem er eine Zeitlang auf unserer Wobbelmaschiene eingespielt wurde, löste sich das Kratzen in Wohlgefallen auf. Das Problem zeigte sich aber nur bei heftigen Higain-Sounds, was bedeutet, dass man, sofern man den Blackbird für diese Art von Klängen verwenden will, erst eine Einspielzeit von mehreren Stunden einplanen muss. Für Clean und moderate Overdrives besteht diese Notwendigkeit nicht unbedingt, aber dennoch wird sich der Lautsprecher erst nach ein paar Betriebsstunden voll entfalten. Ein ähnliches Verhalten ist uns vom Jensen Neodym her bekannt.

Beim Blue und Gold konnte ein beherzter Dreh an der Klangstellung für die Mitten ebenfalls Abhilfe schaffen. Für den HiGain-Test wurde, genau so wie für die anderen Tests, eine mittlere Klangeinstellung verwendete, also Bass, Mitte und Höhenregler auf 5. Erst bei nahezu Nullstellung der Mitten und eine Anhebung von Bass und Höhen konnte beim Blue und Gold ein brauchbares Ergebnis erzielt werden.

Der P12R wurde bei diesem Test kurz angespielt, aber gleich wieder ausgeschaltet. Das Ergebnis war vorhersehbar und selbst ein zusätzliches Einspielen änderte an der Situation nichts.

Einzig der WGS lieferte von Begin an einen satten und singenden HiGain-Sound, was aber auch nicht verwundert, da dieser von Haus aus deutlich bedeckte Höhen hat und erst gar nicht in den kritischen Frequenzbereich vordringt. Auch der Silverbell von Tayden macht eine gute Figur, wieder mit einem sehr dichten und komplexen Klang aber dennoch sehr rockig, wobei man aber auch hier bei nur 25 Watt mit einem geringeren Headroom rechnen muss.

Weniger gut geeignet

Beim HiGain-Test zeigte sich deutlich, dass die Alnicos nicht unbedingt für solche Klänge konzipiert sind. Besonders wenn Singl-Coil/Strat-Kombinationen Verwendung finden, haben die meisten Testteilnehmer ein paar Probleme den HiGain-Sound noch sauber und rund zu übertragen. Hierbei schlägt sich der WGS BlackHawk mit Abstand am besten.

Bei der Verwendung von Gitarren mit Humbuckern entspannt sich die Situation deutlich und jetzt kann auch der Blackbird mit seinem offenen, sehr modernen Sound mithalten, kommt aber nicht an den runden und brachialen Sound des WGS BlackHawk ran. Ferner wirkt er bei dieser Einstellung etwas leiser als der WGS BlackHawk.

Der Celestion Blue und sein Abbild der Black&Blue aber auch der Celestion Gold sind zwar in der Lage ebenfalls einen vernünftigen HiGain-Sound mit deutlich britischer Färbung zu produzieren aber ein kleiner Dreh an der Klangreglung in die falsche Richtung und der Sound ist im Eimer, was die Einsatzmöglichkeiten dieser Lautsprecher mit zunehmendem Drive-Level immer mehr einschränkt. HiGain-Britrock ist OK, davor und dahinter wird es dann aber schon schwerer und deutlich blechern und moderne HiGain-Klänge mit tiefer gestimmten Instrumenten nahezu unmöglich.

Fazit

Jensen Blackbird
Dieser Lautsprecher überzeugt von Clean bis moderatem Overdrive sowohl mit Single-Coils als auch Humbuckern mit einem sehr ausgewogenen, vollen und modernen Sound. Bei HiGain-Klängen wird es etwas problematischer, insbesondere bei Strats. Hier hat der Black Hawk die Nase weit vorne!

Ansonsten ist der Blackbird extrem vielseitig und arbeitet auch sehr gut bei effektlastigen Sounds. Dieser Lautsprecher spielt ohne Zeifel in der absoluten Oberliega und kann als Referenz angesehen werden. Das Preis-/Leistungs-/Klangverhältnis ist spitze.

WGS BlackHawk
Durch seine amerikanische Färbung ist dieser Lautsprecher die erste Wahl wenn es um Overdrive bis Medium-HiGain Sounds geht. Rund und voll, sehr rockig und weniger direkt und offen als der Blackbird. Von AC/DC bis Gary Moor HiGain-Bluesrock uneingeschränkt zu empfehlen. Für Clean bis leicht Crunch und Jazz kann er aber dem Blackbird nicht ganz das Wasser reichen. Das Preis-/Leistungs-/Klangverhältnis ist dennoch top!

Es stellt sich sicherlich gleich die Frage nach Mischbestückung dieser beiden Lautsprecher. Ja, wird funktionieren, da sich beiden Lautsprecher gut ergänzen, aber damit bleibt auch der Charakter der beiden Lautsprecher auf der Strecke und versinkt im Einheitsbrei. Daher eher nicht empfehlenswert.

Blue und Gold und Black&Blue
Insbesondere der Blue und der Black&Blue passten zum AC30 oder AC15 wie die Faust aufs Auge und sind die erste Wahl für Britrock. Aber das Einsatzspektrum ist doch deutlich eingegrenzt, was nochmals durch die geringe Leistung von nur 15 Watt beim Blue und dem Black&Blue eingeschränkt wird. Der Gold bietet zwar mehr Leistung ist aber ähnlich beschnitten und alle drei neigen zu einer deutlichen Überbetonung des Mittenbereiches was sich mit zunehmender Zerre deutlich verschlechtert und zu einem unschönen Blecheimersound führt. Von daher ist das Preis-/Leistungs-/Klangverhältnis beim Blue und Gold als unausgeglichen anzusehen. Wenn man bei diesen Preisen mehr erwartet wird man enttäuscht sein, wenn man aber AC-30 Fan ist, dann hat man an diesen Lautsprechern seine Freude. Die Entscheidung ob Celestion Blue oder WGS Black&Blue kann eigentlich nur nach Preis und Name getroffen werden. Klanglich sind diese beiden Lautsprecher nahezu deckungsgleich.

Tayden Silverbell
Der Silverbell führt ein gewisses Schattendasein. Zugegeben, er ist nicht sehr weit bekannt und die 25 Watt die er leisten kann sind auch kein Vergleich zu den beiden 100 Watt Vögeln, aber er schlägt sich überraschend gut in allen Disziplinen und glänzt durch einen recht dichten Gesamtsound, mit leichtem britischen Einschlag aber ohne zu nerven oder zu kratzen. Der Blick auf das Preis-/Leistungs-/Klangverhältnis endet von daher mit einem noch gut.

Anmerkung: Leider ist der Lautsprecher nicht mehr verfügbar

Jensen P12R
Das Preis-/Leistungs-/Klangverhältnis bei diesem Lautsprecher stimmt eigentlich auch, wenn man bedenkt, dass dieser Kandidat nur einen Bruchteil der anderen Alnicos kostet, aber dennoch ist der Einsatzbereich doch deutlich eingeschränkt. Knackiger und glockenähnlicher Strat und Telesound, mit wenig Bassfülle und geringer Verzerrung gehen dem P12R leicht von der Hand, aber sobald eine etwas stärkere Verzerrung ins Spiel kommt, wirken sich seine starken Höhen sehr negativ aus.